Engagement für Menschen auf der Flucht

Das Rote Kreuz Niederösterreich setzt sich für jene Menschen ein, die Unterstützung benötigen – entsprechend dem Rotkreuz-Grundsatz „Unparteilichkeit“ unabhängig von Nationalität, Abstammung, Religion, sozialer Stellung oder politischer Überzeugung. Menschen, die ihre Familien suchen, werden ebenso unterstützt, wie jene, die in der Grundversorgung oder vorübergehend in einem Empfangsquartier betreut werden.
Allein im Jahr 2022 konnten bereits 45 Familien dank der Familienzusammenführung einen Antrag auf Wiedervereinigung mit den Liebsten stellen. „Wir konnten mit unseren drei Restoring Family Link Zentren in Baden, Hollabrunn und Amstetten sowie der Zentrale in Tulln Anlaufstellen für jene Menschen schaffen, die auf der Flucht oder in einem anderen Zusammenhang den Kontakt zu ihren Familienmitgliedern verloren haben“; erklärt Präsident Josef Schmoll, Rotes Kreuz Niederösterreich. „Die Kinder oder Eltern wieder in die Arme schließen zu können, nachdem man sie auf einem unglaublich schwierigen Weg verloren hat – das ist für uns alle hier in Österreich heute fast unvorstellbar.“ Parallel dazu wurden auch zwölf Anträge auf Personensuche gestellt, viele davon reichen bis in den 2. Weltkrieg zurück.
„Die Personen, die wir im Rahmen der Familienzusammenführung und Personensuche begleiten, sehen sich vielen organisatorischen Hürden gegenübergestellt. Die Trennung bringt eine hohe emotionale Belastung mit sich – daher versuchen wir so unbürokratisch wie möglich zu helfen. Nach einer erfolgreichen Familienzusammenführung bitten wir um ein Foto – wir haben eine kleine Motivationstafel, an der wir die Fotos anbringen und die uns erinnert, warum wir uns trotz vieler Hürden und Herausforderungen immer wieder für die Familien einsetzen: aus Liebe zum Menschen“, erklärt Philipp Pechhacker-Martinek, Abteilungsleiter für Migration & Suchdienst im Roten Kreuz Niederösterreich.
Im Jahr 2021 konnten 92 Familien mit insgesamt 341 Mitgliedern unterstützt werden, wobei jede einzelne Familie Unglaubliches erzählen kann. Die Dankbarkeit dieser Menschen ist dafür umso leichter zu sehen. Denn teilweise haben Väter ihre Kinder noch nie im Arm gehalten, wenn sie flüchten mussten, während die Ehefrau schwanger war. „Das sind besondere Gänsehautmomente“, erzählt Pechhacker-Martinek. „Allein die Dankbarkeit bzw. meist Tränen in den Augen der Erwachsenen sprechen Bände.“
Neben diesen Aufgaben stellt das Rote Kreuz auch zwei Grundversorgungsquatiere mit insgesamt 29 Plätzen und betreibt seit Ausbruch des Ukraine-Konflikts ein Empfangsquartier in Wr. Neustadt. Einige der Menschen, die nach Österreich flüchten, engagieren sich dann selbst im Roten Kreuz. Dadurch wurden zwei Integrationsprogramme ins Leben gerufen – das projektXchange und crosstalk. Das projektXchange wurde 2009 vom Verein „Lernen aus Zeitgeschichte“ entwickelt und wird seit 2012 vom Roten Kreuz als Projektträger umgesetzt. projektXchange setzt erfrischende Akzente für einen Zugang zu interkulturellem Verständnis und eröffnet durch persönliches Kennenlernen Möglichkeiten, Vorurteile, Ängste und Konflikte abzubauen und ein gegenseitiges offenes und bereicherndes Miteinander zu fördern. Rund 350 ehrenamtliche Botschafter:innen – 30 davon in Niederösterreich – besuchen Schulen und Jugendgruppen in ganz Österreich und berichten von ihrer persönlichen Geschichte, ihren Erfahrungen sowie über ihre Lösungs- und Erfolgsstrategien.
Auch crosstalk ermöglicht und begleitet Gespräche über kulturelle Grenzen hinweg und stellt damit das Verbindende vor das Trennende. Im Mittelpunkt steht immer der Dialog. Unter Berücksichtigung der sieben Rotkreuzgrundsätze (Menschlichkeit, Unparteilichkeit, Neutralität, Unabhängigkeit, Freiwilligkeit, Einheit und Universalität), gilt es mit den Menschen Gespräche „Talks“ zu führen, statt über sie zu sprechen. „Ich teile gerne meine Erfahrungen und erzähle, was ich zu erzählen habe. Was ich erlebt habe ist nicht normal oder schön. Ich erzähle das gerne und der Austausch ist gut, denn durch dieses „multi-kulti“ merken die Teilnehmer, dass alle gleich sind. Es gibt keinen Grund, einen Unterschied zu machen“, erzählt Fida Hussaini, Freiwilliger Mitarbeiter des Roten Kreuzes Niederösterreich, der selbst im Jahr 2015 aus Afghanistan nach Österreich gekommen ist. „Es gibt aber auch viele Personen, die keinen Kontakt zu Flüchtlingen oder Migranten haben und nur schlechte Nachrichten darüber hören. Sie bilden sich ein Vorurteil, ohne die Personen zu kennen. Und wenn ich dann zu einem Workshop komme, sehen die Leute positive Dinge. Gleichzeitig möchte ich auch Menschen, die nach Österreich kommen mitteilen, dass sie hier gute Chancen haben, wenn sie hart arbeiten und weitermachen. Nicht jeder hat die Chance, in einem sicheren Land in die Schule zu gehen – keine anderen Sorgen zu haben, außer dem Lernen. Das ist ein Luxus und ein Geschenk.“
Tulln, 27. Juni 2022
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