1961 wurde das Wiener Rote Kreuz als eigenständiger Landesverband des Österreichischen Roten Kreuzes gegründet. Bald entstanden die ersten Bezirksstellen für die Freiwilligen. Die Aufgabengebiete waren strikt getrennt: Rettungs- und Krankentransport sowie Katastrophenhilfsdienst waren Männersache, Sozialdienste im Spital oder Behindertenbereich sowie die Betreuung der Bezirksstellenräumlichkeiten und Kameraden waren Aufgabe der Helferinnen.
Auch die Uniformierung zeigte den Unterschied: Die Sanis trugen graue Uniform mit Anorak und Kappe, die Helferinnen ein blauweiß gestreiftes Schwesternkleid mit weißer Schürze, blauer Weste und weißem Häubchen.
Der gesellschaftliche Wandel des Frauenbildes führte auch beim RK zum Ruf nach Gleichstellung. Aber für die damalige Rot-Kreuz-Männerwelt war es kaum vorstellbar, Frauen bei medizinischen Einsätzen dabei zu haben. Deshalb entstand die Idee, die Helferinnen, die auf inzwischen drei Bezirksstellen verteilt waren, in einer Gruppe zusammen zu fassen und eine eigene Bezirksstelle zu gründen.
Diese Umstellung verlief verständlicherweise nicht konfliktfrei. In vielen Gesprächen wurden die Vor- und Nachteile abgewogen. Schließlich wurde am 24.11.1970 die neue Bezirksstelle gegründet. Damit wurde sie die einzige rein weibliche Bezirksstelle in ganz Österreich. Die Namensfindung war eine einstimmige Sache. Das Vorbild, Bertha von Suttner, war eine starke Frau, die ihren Weg gegen alle Widerstände konsequent ging.
Als Dienststelle wurde der „BvS“ ein Zimmer in der damaligen Zentrale des Wiener Roten Kreuzes im 5. Bezirk zugewiesen. Die benötigte Schreibmaschine musste von der Firma eines Kollegen geliehen werden. Trotz solcher Handicaps war der Wille zum Aufbau der jungen Bezirksstelle enorm. Um für alle Tätigkeitsbereiche gerüstet zu sein, wurden für alle Helferinnen viele Ausbildungen vorgeschrieben: Sanitätshilfekurs, Hauskrankenpflege- und Mutter-Kind-Kurs waren etwa verpflichtend. Beim Landesbewerb für Erste Hilfe 1972 zeigten die Helferinnen ihre Klasse: Sie errangen den ersten Platz.
So eroberten die Frauen langsam, aber sicher alle Einsatzbereiche im Wiener Roten Kreuz. Damit stiegen auch die Akzeptanz und der Respekt bei den männlichen Kollegen. Einen zäheren Kampf mussten die Pionierinnen um die Gleichberechtigung bei den Uniformen ausfechten. Nach Jahren siegte schließlich die Einsicht, dass das Schwesternkleid im Krankentransport oder bei Ambulanzen nicht wirklich optimal war.
1982 wurde die Bezirksstelle für Männer geöffnet, nachdem es mittlerweile einige Rotkreuz-Ehepaare gab. Ein weiterer Grund war der Wunsch nach einem eigenen Rettungsauto; Frauen waren noch nicht als Fahrerinnen zugelassen. Auch das änderte sich schließlich.
Im Jahr 1996 zog die „BvS“ in die Negerlegasse im 2. Bezirk. Der Mitgliedsstand lag bei etwa 30 Personen. In den neuen Räumlichkeiten wuchs die Bezirksstelle. 1999 bekam die „BvS“ den ersten eigenen Krankentransportwagen. Neue Dienstmöglichkeiten wie der Oldies Club entstanden, der Mitgliedsstand stieg auf mehr als 100 (im Jahr 2000) und über 200 Personen (ab 2011). Um dem gerecht zu werden, wurden die Räumlichkeiten unter der enormen Mithilfe vieler MitarbeiterInnen (rund 800 Stunden freiwillige „Eigenleistung“) von 2011 bis 2013 massiv umgebaut.
Wichtig ist uns ein breites Engagement in allen Bereichen. Neben den SanitäterInnen auf dem eigenen Krankentransportwagen und auf Ambulanzen arbeiten auch viele Mitglieder im Katastrophenhilfsdienst und gehen zum Teil weltweit in Einsätze (in Haiti, Bangladesch, Sierra Leone…). Initiativ ist die „BvS“ besonders in den Sozialen Diensten: Der Lernclub, die Bewegungsrunde im Alter und der Besuchsdienst im Krankenhaus der Barmherzigen Brüder entstanden hier. Denn bis heute spielen die sozialen Gene der Gründungsfrauen eine große Rolle!
Text:
Gertraud Bayer (Bezirksstellenleiterin 1983 – 1997)
Kathrin Steinberger (Bezirksstellenleiterin 2015 – 2020)