Für eine Betrachtung der Geschichte des Wiener Roten Kreuzes und der Bezirksstelle West lohnt sich ein Blick auf die Vorläuferorganisationen. Die Geschichte des Rettungsdienstes in Wien reicht bis ins 19. Jahrhundert zurück. Am Tag nach dem Ringtheaterbrand am 9. Dezember 1881 gründeten Jaromir Freiherr von Mundy, Johann Nepomuk Graf Wilczek und Eduard Graf Lamezan-Salins die „Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft“. Der erste belegte Krankentransport wurde nach Genehmigung der k.u.k Monarchie im Jänner 1882 am 24. April 1882 durchgeführt.
Wenige Jahre später (1887) erfolgte die Gründung der „Unter Sankt Veiter Freiwilligen Rettungsgesellschaft“. Ihre erste Rettungsstation war an der Ecke Auhofstraße 72/St.-Veit-Gasse. Später wurde aus ihr die „Hietzinger Freiwillige Rettungsgesellschaft“ (HFRG). Im Jahr 1907 bezog die HFRG eine neue Rettungsstation in 1140, Zehetnergasse 11 (der heutigen Rettungsstation „Penzing“ der MA70). 1916 erfolgte die Übernahme in das Rote Kreuz.
Am 1. September 1938 wurde die „Wiener Freiwillige Rettungsgesellschaft“ durch das Kommando der Feuerwehr der Stadt Wien übernommen und eine eigene „Abteilung Rettungsdienst“ gegründet. Am 15. Oktober erfolgte die Angliederung der HFRG und der Städtischen Sanität. Die Stadt Wien wuchs und daher wurden weitere Rettungswachen notwendig.
In den Nachkriegsjahren wurde der Rettungsdienst wieder von der Feuerwehr getrennt, und der Wiederaufbau des „Wiener Städtischen Rettungs- und Krankenbeförderungsdienstes“ begann rasch.
Von der HFRG zur Bezirksstelle West
Im Jahr 1947 fanden sich einige Idealisten zur Neugründung der „Hietzinger Freiwilligen Rettungsgesellschaft“ zusammen. Im Februar 1953 unterstellten sich die „Hietzinger“ dem Roten Kreuz, Landesverband Wien-Niederösterreich, und wurden zur „Rettungskolonne Hietzing des Roten Kreuzes“. Am 18. Juni 1960 erfolgte die Trennung in die Landesverbände Wien und Niederösterreich, und ein Jahr später fand die Gründungsversammlung des eigenständigen Wiener Roten Kreuzes statt. 1962 wurde aus der Hietzinger Freiwilligen Rettungsgesellschaft (HFRG) die Bezirksstelle West des Wiener Roten Kreuzes.
Gründung der Bezirksstelle
Die „West“ hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich – und sie startet am 22. Jänner 1962. Dr. Wilhelm Kastner, Dr. Josef Lenitz und Otto Hadl gründeten ein Proponentenkomitee. In diesem Gremium wurde die Gründung einer Bezirksstelle geplant und vorbereitet. Nach Genehmigung durch den Verbandsausschuss erfolgte am 22. Jänner 1962 die Gründungsversammlung. Die Gründungsfeierlichkeiten wurden von der Stadt Wien im Amtshaus des 13. Bezirkes abgehalten. Der erste Bezirksstellenleiter war Kolonnenarzt Dr. Wilhelm Kastner, mit Otto Hadl als Stellvertreter an seiner Seite. Von der Stadt Wien wurde der neu gegründeten Bezirksstelle in Wien 15, Viktoriagasse 3, ein Straßenlokal zur Verfügung gestellt.
Die 186 Helferinnen und Helfer der neuen „West“ begnügten sich nicht mit wöchentlichen Heimabenden, sondern nahmen sofort ihre Arbeit auf. Besonders Rainer Geist, Hans Pospisil und Leopold Schönhofer waren maßgeblich in der Katastrophenvorsorge samt Logistik und im Ambulanzwesen tätig. Sie legten als Vordenker des heutigen KHD Lagerbestände für die Katastrophenvorsorge an und verwalteten diese. Von einem eigenen KTW war man aber noch weit entfernt.
Übersiedlung der Bezirksstelle
Im Jahr 1965 meldete die Stadtverwaltung Eigenbedarf an dem Straßenlokal in der Viktoriagasse an, und die Bezirksstelle West musste innerhalb des Bezirkes in die Sperrgasse übersiedeln. Für die Mitarbeiter*innen war das kein Nachteil, denn das Raumangebot war größer. In weiterer Folge trat Otto Hadl in die Fußstapfen von Dr. Kastner und wurde als Bezirksstellenleiter mit Stellvertreter Herwig Jungwirth an seiner Seite bestätigt. Jungwirth folgte später Alfred Spanner als Landessekretär (Landesgeschäftsführer) nach.
Durch eine Erbschaft wurde dem Landesverband eine Immobilie in der Spallartgasse 10A zuerkannt. Auf diesem Grundstück wurde ein Wohnhaus gebaut. Ursprünglich war das Projekt als Schwesternunterkunft für das St. Anna Kinderspital gedacht.
Der zweite Stock dieses Hauses wurde der Bezirksstelle West zur Verfügung gestellt und wird noch heute genutzt. Später übersiedelte auch der Rettungsdienst vorübergehend in dieses Gebäude (zuvor war der Rettungsdienst in der Spallartgasse 3 untergebracht, danach übersiedelte er zum heutigen Standort in die Nottendorfer Gasse).
Meilensteine der ersten Jahrzehnte
Besonderes Augenmerk wurde auf die Frühform des Katastrophenhilfsdienstes gelegt – dieses vorausschauende Denken machte sich beim Jahrhunderthochwasser im Burgenland 1965 bezahlt. Am schlimmsten war damals das Pinkatal betroffen. Zeltbau und Trinkwasseraufbereitung waren unbedingt erforderlich, die Kolleg*innen aus Wien leisteten Hilfe. Die damals gewonnen Erfahrungen konnten dann beim Hochwasser in Florenz Ende 1966 erfolgreich eingesetzt werden.
Die Jahre zogen ins Land, und das Aufgabengebiet des Roten Kreuzes wuchs, aber auch die Hilfseinsätze gingen weiter.
1970 wurde die Heimhilfe des Wiener Roten Kreuzes gegründet.
1976 wurde Friaul von einem Erdbeben der Stufe 10 der Mercalli-Skala erschüttert. Das Rote Kreuz half – mit dabei auch Mitarbeiter*innen der Bezirksstelle West. 1. August 1976: Um 4:40 Uhr morgens wurde Wien erschüttert – die Reichsbrücke war eingestürzt. Der Zusammensturz kostete einen Autofahrer das Leben (Details über den Einsatz des Roten Kreuzes finden sich weiter hinten in dieser Broschüre in den Erinnerungen von Rainer Geist).
7. Februar 1979: Das Kaufhaus „Gerngroß“ stand am 7. Februar nach Schweißarbeiten im Zuge eines Umbaus in Vollbrand. Die umfangreichen Löscharbeiten dauerten bis in die Abendstunden des Folgetages. Obwohl das Gebäude in dichtbebautem Gebiet stand, gab es keine Opfer zu beklagen. Auch hier war das Rote Kreuz im Einsatz.
1997: Die Bezirksstelle zog in das derzeitige Quartier der „West“, in die Spallartgasse 10A in der Nähe der Hütteldorfer Straße.
Juni 2008: Die Euro 2008 fand unter anderem auch in Wien statt – Großbildleinwände in ganz Wien, ein gemeinsames friedliches Fest, als Spanien Deutschland mit 1:0 besiegte. Gerry Foitik, der Bundesrettungskommandant des Roten Kreuzes, erklärte damals in einer Pressekonferenz: „Aus der Sicht des Roten Kreuzes kann man eines mit Bestimmtheit sagen: Die EURO ist ein großes, aufregendes und friedliches Fest mit Gästen aus ganz Europa.“ Mehr als 11.500 Mitarbeiter*innen des Roten Kreuzes waren bei diesem Großereignis im Einsatz, gemeinsam mit Guest Support-Teams der Rotkreuz-Gesellschaften der Teilnehmerländer sowie weiteren rund 550 Mitarbeiter*innen des Deutschen Roten Kreuzes. Dass Wien einer der Austragungsorte der EM-Spiele war, spornte die Wiener Rotkreuz-Bezirksstellen zu Höchstleistungen an.
Auch an der „West“ ging die Zeit nicht spurlos vorüber. Sie wurde im Laufe der Zeit älter – und unterzog sich im Herbst 2012 einer „Verjüngungskur“: Die Bezirksstelle und damit der Aufenthaltsraum sowie die Räume für das Funktionärsteam wurden komplett renoviert und erneuert. Im Zuge der Arbeiten mussten unsere Freiwilligen einige Einschränkungen in Kauf nehmen, da die Funktionäre teils nur von zu Hause aus arbeiten konnten. Aber die Mühe hat sich gelohnt – die Bezirksstellenleitung freut sich auf zahlreiche Besuche.
22. Jänner 2013: Die „West“ feierte ihren 51. Geburtstag.