Wir sind da Ö Österreich
Lisi Schmidt Freiwilligenmanagerin Wiener Rotes Kreuz ©ÖRK

Land der Helfe­rinnen und Helfer

Die Frei­wil­lig­keit steht beim Roten Kreuz nicht nur am 5. Dezember, dem Inter­na­tio­nalen Tag des Ehren­amts, im Mittel­punkt. Wie wichtig die Mitar­beit von frei­wil­ligen Helfe­rinnen und Helfern in ganz Öster­reich ist, erzählt uns Lisi Schmid, Frei­wil­li­gen­ma­na­gerin beim Roten Kreuz Wien.

„Wie wichtig das Frei­wil­li­gen­system für unsere Zivil­ge­sell­schaft ist?“ Lisi Schmid muss nicht lange nach­denken, um die Frage eindeutig zu beant­worten: „Es ist unver­zichtbar!“ Und tatsäch­lich stützt der Jahres­be­richt des Öster­rei­chi­schen Roten Kreuzes diese Aussage mit detail­lierten Zahlen : Neben 11.036 haupt­be­ruf­li­chen Mitar­beiter:innen (und 4.239 Zivil­dienst­leis­tenden) enga­gierten sich 2022 exakt 75.401 Menschen frei­willig in einer der Bezirks- oder Orts­stellen des Roten Kreuzes – und leis­teten zusammen unglaub­liche 10.425.659 Einsatz­stunden! „Wenn ich mir über­lege, was in unserer Gesell­schaft alles nicht möglich wäre, wenn es uns Frei­wil­lige nicht gäbe – nein, das würde nicht funk­tio­nieren. Ohne Frei­wil­lige geht es einfach nicht!“

Der Wunsch: Gutes tun
Lisi Schmid ist seit 2017 Frei­wil­li­gen­ma­na­gerin beim Wiener Roten Kreuz. Ihr Berufsweg hat aber tatsäch­lich als Frei­wil­lige begonnen, erin­nert sich die gebür­tige Stei­rerin: „Wie so viele Menschen wollte einfach etwas Gutes tun. Als ich nach dem Studium nach Wien gekommen bin und mich nebenbei sozial enga­gieren wollte, bin ich über eine Bekannte zum Roten Kreuz gekommen.“
Ihr ursprüng­li­cher Herzens­wunsch, im St. Anna Kinder­spital einge­setzt zu werden, erfüllte sich zwar nicht; Lisi Schmid fand aber andere Wege, Kinder und Jugend­liche mit ihrem Enga­ge­ment zu unter­stützen: „Das St. Anna Kinder­spital ist für Frei­wil­lige eine der attrak­tivsten Dienst­leis­tungen in Wien. Ich hätte sehr lange warten müssen, bis ein Platz frei wird. Ich wollte mich aber sofort enga­gieren und habe deshalb beim Wiener Jugend­rot­kreuz  zu arbeiten begonnen.“
Im Rahmen der Jugend­gruppen des Wiener Jugend­rot­kreuzes können sich junge Menschen gemeinsam mit Gleich­alt­rigen sozial enga­gieren. Für viele junge Frei­wil­lige ist das ein Sprung­brett, um ihre Kraft und Zeit später auch in anderen Berei­chen der Hilfs­or­ga­ni­sa­tion einzu­bringen. Für Lisi Schmid, die Gesund­heits­ma­nage­ment und am zweiten Bildungsweg zusätz­lich Elemen­tar­päd­agogik studiert hat, war es tatsäch­lich die Basis für ihren weiteren Karrie­reweg: „Ich war zuerst viele Jahre lang Jugend­grup­pen­lei­terin und durfte danach das Landes­ju­gend­re­ferat beim Wiener Roten Kreuz über­nehmen.“

Leuch­tende Augen
Die Möglich­keiten, sich beim Roten Kreuz frei­willig zu enga­gieren, sind mannig­faltig. Und sie reichen weit über den allseits bekannten Rettungs­dienst hinaus, sagt Lisi Schmid. „Wir bieten eine breite Palette von Tätig­keiten, vom Kata­stro­phen­hilfs­dienst hin zu sozialen Aufgaben wie Besuchs- und Begleit­dienst für Menschen, denen soziale Kontakte fehlen, Akti­vi­täten mit Senioren:innen, Betreuung von wohnungs­losen Menschen, aber auch Lern­be­glei­tung und Lese­pa­ten­schaften für Kinder.“
Die Arbeit als frei­willig:r Mitar­beiter:in erfolgt – wie der Name schon sagt – aus eigenem Antrieb und unbe­zahlt. Dennoch, oder viel­leicht gerade deshalb, sagt Lisi Schmid, empfinden viele Frei­wil­lige allein die Möglich­keit, helfen zu dürfen, oft selbst schon als große Beloh­nung: „Ich enga­giere mich in meiner Frei­zeit ja selbst weiterhin regel­mäßig als Frei­wil­lige. Wenn du das freud­volle Leuchten in den Augen der Menschen siehst, denen du das Leben ein Stück leichter machen konn­test, vergisst du sofort all deine eigenen Stra­pazen und weißt, dass seine Arbeit wirk­lich einen Sinn hat.“
Dazu kommt, dass man nach einem Einsatz auto­ma­tisch seine eigenen Lebens­um­stände reflek­tiert: „Ja“, sagt Lisi Schmid, „natür­lich wird man – oder bleibt man – demütig. Speziell, wenn du mit Menschen sprichst, die aus ihrer Heimat fliehen mussten. Du erkennst immer wieder, wie privi­le­giert unser Leben hier in Öster­reich ist und wie gut es einem selbst in Wahr­heit geht.“

Riesiges Helfer­herz
Wie eingangs erwähnt, enga­gieren sich allein in Öster­reich pro Jahr rund 75.000 Menschen frei­willig beim Roten Kreuz (welt­weit sind es mehr als 16 Millionen). Sie kommen aus allen Alters- und Gesell­schafts­schichten, sagt Lisi Schmid: „Was sie alle gemeinsam haben, ist ihr riesiges Helfer­herz. Sie wissen aus tiefster Über­zeu­gung, dass man einfach anpackt, wenn es anderen Menschen schlecht geht, während es einem selbst gut geht.“ Dazu kommt, dass Frei­wil­lige ihre Tätig­keit mit einer ganz spezi­ellen Moti­va­tion ausführen: „Du hilfst, weil du helfen willst. Du machst das natür­lich in erster Linie für andere Menschen – aber schon auch ein biss­chen für dich selbst …“
Unter­stüt­zung von Frei­wil­ligen wird oft spontan benö­tigt, sagt Lisi Schmid. Etwa, als zu Beginn des bewaff­neten Konflikts in der Ukraine im Februar 2022 plötz­lich eine große Menge an geflo­henen Menschen zu versorgen galt: „Wir haben in einer Halle der Messe Wien sehr rasch Hunderte von Notbetten aufge­baut und dafür gesorgt, dass die Menschen ein Dach über dem Kopf, warmes Essen und medi­zi­ni­sche Versor­gung bekommen und sich duschen und waschen können.“ Gerade in Notsi­tua­tionen ist die Koope­ra­tion mit dem Radio­sender Ö3 beson­ders effektiv: „Im Rahmen des ‚Team Öster­reich‘ konnten wir nach Menschen suchen, die ukrai­nisch oder russisch spre­chen und uns kurz­fristig helfen wollten.“

Im Dienst der guten Sache
Wie wichtig Frei­wil­lige sind, zeigt auch eine Episode im Jahr 2015, an die sich Gerry Foitik vor Kurzem in unserem Podcast  erin­nerte. Der Bundes­ret­tungs­kom­man­dant des Öster­rei­chi­schen Roten Kreuzes (der übri­gens selbst regel­mäßig als frei­wil­liger Helfer im Rettungs­auto Nacht­dienst versieht) erzählt von einem bewusst herbei­ge­führten Versuch, Öster­reich zu desta­bi­li­sieren.
Unga­ri­sche Behörden hatten rund 4.500 Menschen auf der Flucht längere Zeit an der Grenze zurück­ge­halten – und dann alle an einem Freitag gleich­zeitig über die Grenze ins Burgen­land weiter­ziehen lassen. Und zwar „vermut­lich mit dem Ziel, uns zu über­for­dern“, sagt Gerry Foitik. „Aber an einem Freitag, Samstag oder Sonntag können wir gar nicht über­for­dert werden, weil es in Öster­reich das System der Frei­wil­li­gen­hilfe gibt.“
Lisi Schmid war an diesem besagten Wochen­ende selbst an anderer Stelle als Frei­wil­lige im Einsatz, kann Gerry Foitiks Einschät­zung aber voll­in­halt­lich teilen: „Öster­reich ist einfach ein Land der Helfe­rinnen und Helfer. Viele unserer Frei­wil­ligen sind beruf­lich ganz normal von Montag bis Freitag beschäf­tigt. Aber wenn sie am Wochen­ende Zeit haben, stellen sie sich gern in den Dienst der guten Sache. Gerade am Samstag und Sonntag ist es unser geringstes Problem, im Notfall genü­gend Frei­wil­lige zu finden, die anpa­cken und helfen.“


Helfen kann jede:r
Frei­willig enga­gieren kann sich tatsäch­lich jeder Mensch, sagt Lisi Schmid: „Bei uns kann man schon früh mitwirken. Wenn man noch keine 18 Jahre alt ist, zum Beispiel im Bereich des Jugend­rot­kreuzes. Die Jugend­li­chen in den Jugend­gruppen packen genauso mit an wie allen anderen Rotkreuzler:innen.“ Für manche Dienst­leis­tungen gibt es aller­dings gewisse (körper­liche) Voraus­set­zungen, die erfüllt werden müssen: „Es kann immer wieder vorkommen, dass der Rettungs­dienst Patient:innen im Altbau ohne Aufzug mehrere Stock­werke in engen Stie­gen­häu­sern trans­por­tieren muss. Also achten wir speziell darauf, dass unsere Frei­wil­ligen in der Lage sind, diese anstren­genden Aufgaben zu erfüllen.“
Ansonsten ist die Zeit, die Frei­wil­lige zur Verfü­gung stellen können, oft ein wich­tiger Faktor, sagt Lisi Schmid. „Meine wich­tigste Frage in einem Erst­ge­spräch ist immer: Wie viel Zeit kannst du dir vorstellen zu inves­tieren? Lesepat:innen sollten zum Beispiel einmal pro Woche am Vormittag zwei, drei Stunden in einer Schule verbringen könnten. Aber wir freuen uns über jeden Menschen, der sich bei uns frei­willig mithilft.“ Denn ohne frei­wil­lige Helfer geht es nicht!
 

Die 14-jährige Burgenländerin Leonie Gelis engagiert sich als freiwillige Helferin bei der Team Österreich Tafel in Mattersburg. Warum sie ihre Freizeit nutzt, um andere Menschen zu unterstützen, erklärt sie uns im folgenden Gespräch.

Foto: Rotes Kreuz Burgenland

Wie bist du trotz deines jungen Alters zur Team Österreich Tafel Mattersburg gekommen? 
Leonie: Eine der Teamleiterinnen spielt im selben Verein wie ich Volleyball und hat sich erkundigt, ob sich jemand gerne freiwillig bei der Team Österreich Tafel engagieren möchte. Ich habe mich gemeldet und einen Termin für einen Schnupperdienst bekommen. Seitdem mache ich ein- bis zweimal im Monat einen Dienst bei der Team Österreich Tafel in Mattersburg.
Was sind deine Aufgaben?
Jede Mitarbeiterin, jeder Mitarbeiter ist für eine bestimmte Station, zum Beispiel Obst/Gemüse, verantwortlich. Wenn die Fahrer:innen mit Lieferungen eintreffen, nehmen wir die Waren entgegen. Gemeinsam tragen wir die Kisten in die Ausgabestelle, und die Mitarbeiter:innen schlichten die zugeteilte Station selbst ein. Natürlich helfen wir uns bei großen Mengen auch gegenseitig. Anschließend werden die Lebensmittel an die Kund:innen verteilt.
Was ist aus deiner Sicht das Wichtigste an der Team Österreich Tafel?
Meiner Meinung nach geht es dabei um zwei wichtige Themen. Erstens wirken wir der Lebensmittelverschwendung entgegen und zweitens unterstützen wir Familien, die Schwierigkeiten haben, sich in Zeiten steigender Inflation ausreichend mit Nahrungsmitteln zu versorgen.
Warum engagierst Du Dich ehrenamtlich in Deiner Freizeit?
Ich habe mich schon länger mit dem Gedanken auseinandergesetzt, mich sozial zu engagieren. Durch die Team Österreich Tafel hat sich mir eine Möglichkeit geboten, einen sozialen Beitrag zu leisten und hilfsbedürftige Menschen zu unterstützen.
Was bedeutet für dich der Rotkreuz-Slogan „Aus Liebe zum Menschen“?
Es geht beim Roten Kreuz darum, allen Menschen zu helfen – ganz egal, woher oder weshalb sie zu uns kommen.
Hat deine Mitarbeit in der Team Österreich Tafel Mattersburg etwas in dir verändert?
Durch die Mitarbeit bei der Team Österreich Tafel ist mir noch bewusster geworden, wie gut es mir eigentlich geht und wie viele Menschen in unserer Gesellschaft Unterstützung benötigen.
Willst du Deinen über 3.400 freiwilligen Kolleginnen und Kollegen im Roten Kreuz Burgenland etwas ausrichten?
Ich würde gern Jane Goodall zitieren: „Du kannst keinen einzigen Tag verbringen, ohne diese Welt zu verändern. Was immer du tust, macht einen Unterschied, aber nur du entscheidest, welchen du machst!“


Zur Person
Name: Leonie Gelis
Wohnort: Pöttsching
Alter: 14 Jahre
Tätigkeitsbereich: Team Österreich Tafel Mattersburg

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