Arbeit unter Lebensgefahr
Die daraus resultierenden Herausforderungen sind für das Personal des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes ebenso so groß und unüberschaubar wie für die Zivilbevölkerung, sagt Georg Ecker. „Was wir auch von Naturkatastrophen kennen, bei denen wir als Ersthelfer im Einsatz sind: Die Menschen sind alle persönlich betroffen. Es gibt niemanden, der von der Entwicklung im Gazastreifen ausgenommen ist.“
Gerade die Kolleginnen und Kollegen vom Palästinensischen Roten Halbmond, sagt Georg Ecker, verrichten ihre Arbeit trotz enormer psychischer Belastung: „Wenn sie im Einsatz sind, müssen sie immer Angst um ihre Familie zu Hause haben.“ Dazu kommt, dass sie permanent schwer einschätzbaren Risiken ausgesetzt sind: „Unsere Einsatzfahrzeuge sind natürlich alle mit unseren Schutzzeichen und Insignien gekennzeichnet. Dennoch setzen unsere Leute mit jedem Einsatz, mit jeder Bewegung auf der Straße ihr Leben aufs Spiel.“
Eine Art Normalität
Bei all den Schreckensbildern, die wir in den Nachrichten sehen: Die Kolleginnen und Kollegen des Palästinensischen Roten Halbmondes versuchen, trotz allem ganz alltägliche Hilfsleistungen zu erbringen: „Sie fahren zum Beispiel mit den Ambulanzfahrzeugen als Ersthelfer von Einsatz zu Einsatz – egal, ob das jetzt einen Herzinfarkt oder einen anderen medizinischen Notfall betrifft.“
Allerdings mit wichtigen Einschränkungen: „Leider gibt es sehr viele Situationen, zu denen es selbst für den Roten Halbmond oder das Rote Kreuz keinen Zugang gibt.“ Das kann aktiven Kampfhandlungen ebenso geschuldet sein wie der simplen Tatsache, dass Straßen zerbombt oder durch eingestürzte Häuser unpassierbar geworden sind: Dazu kommt ein weiteres Problem, das sich täglich verschlimmert: „Viele medizinische Einrichtungen sind so stark zerstört, dass sie keine Patientinnen und Patienten mehr versorgen können. Unsere Kolleginnen und Kollegen müssen jeden Tag aufs Neue schauen, wohin sie ihre Patientinnen und Patienten zur medizinischen Versorgung noch bringen können.“
Gefahr von Kollateralschäden
Nicht unbedingt einfacher, aber zumindest eine Spur sicherer ist die längerfristige humanitäre Hilfe, die das IKRK in der Konfliktregion leistet: „Diese Kolleginnen und Kollegen sind ebenfalls in speziell gekennzeichneten Fahrzeugen unterwegs. Und sie stimmen zusätzlich jeden ihrer Schritte zuvor mit allen Parteien ab, damit sie nicht unter Beschuss geraten. Doch auch sie müssen mit der permanenten Gefahr von Querschlägern oder Kollateralschäden leben.“
Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sind daran gewöhnt, mit gewissen Restrisiken umzugehen, sagt der Krisenmanager aus eigener Erfahrung in zahlreichen Katastrophengebieten: „Wenn du zum Beispiel als Ersthelfer nach einem Erdbeben in Häuserschluchten unterwegs bist, kann ein Nachbeben jederzeit weitere Gebäude zum Einsturz bringen. Im Gazastreifen sind die Gefahren aber mannigfaltiger und die Vorsicht deshalb umso größer.“