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Einsatzkräfte des Palästinensischen Roten Halbmonds helfen Betroffenen
Einsatzkräfte des Palästinensischen Roten Halbmonds helfen Betroffenen. ©PRCS

Gaza: Es fehlt an Allem!

Die anhaltenden Kämpfe im Gazastreifen stellen auch humanitäre Hilfskräfte vor unvergleichliche Herausforderungen. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz und des Palästinensischen Roten Halbmonds arbeiten unter schwierigsten Bedingungen. Selbst Trinkwasser ist Mangelware. 

„Complex emergency“, also „komplexer Notfall“, heißt die Situation in der Fachsprache, mit der sich internationale Hilfsorganisationen gerade im Gazastreifen konfrontiert sehen. Georg Ecker, zuständig für Einsätze im WASH Service Centre des Österreichischen Roten Kreuzes, steht von Wien aus in regem Kontakt mit Kolleginnen und Kollegen vom Internationalen Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) und auch vom Palästinensischen Roten Halbmond vor Ort: „Die Herausforderungen sind unglaublich vielfältig. Aber wir helfen nach besten Kräften dort, wo es Not tut – und wo wir helfen können.“ 

Kein Ausweg 
Der Gazastreifen, kurz Gaza genannt, entstand in seiner heutigen Form durch ein Waffenstillstandsabkommen nach dem Ersten Arabisch-Israelischen Krieg Ende der 1940er-Jahre. Das insgesamt nur rund 360 Quadratkilometer große Küstengebiet liegt am östlichen Mittelmeer und wird von Ägypten im Süden und Israel im Norden und Osten begrenzt. 

Das Gebiet ist dicht besiedelt; letzte offizielle Schätzungen gingen im Jahr 2020 von knapp zwei Millionen Einwohnern aus – auf einer Fläche, die nicht einmal ein Zehntel der Größe des Burgenlandes umfasst: „Der Gazastreifen ist rund 40 Kilometer lang und zwischen sechs und 14 Kilometer breit. Innerhalb der aktuell geschlossenen Grenzen gibt es sehr wenig Raum für die Menschen, um sich zu bewegen.“ 

Einsatzkraft mit Trage in Trümmern
Einsatzkräfte riskieren ihr Leben, um zu helfen. ©PRCS

Arbeit unter Lebensgefahr 
Die daraus resultierenden Herausforderungen sind für das Personal des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes ebenso so groß und unüberschaubar wie für die Zivilbevölkerung, sagt Georg Ecker. „Was wir auch von Naturkatastrophen kennen, bei denen wir als Ersthelfer im Einsatz sind: Die Menschen sind alle persönlich betroffen. Es gibt niemanden, der von der Entwicklung im Gazastreifen ausgenommen ist.“ 

Gerade die Kolleginnen und Kollegen vom Palästinensischen Roten Halbmond, sagt Georg Ecker, verrichten ihre Arbeit trotz enormer psychischer Belastung: „Wenn sie im Einsatz sind, müssen sie immer Angst um ihre Familie zu Hause haben.“ Dazu kommt, dass sie permanent schwer einschätzbaren Risiken ausgesetzt sind: „Unsere Einsatzfahrzeuge sind natürlich alle mit unseren Schutzzeichen und Insignien gekennzeichnet. Dennoch setzen unsere Leute mit jedem Einsatz, mit jeder Bewegung auf der Straße ihr Leben aufs Spiel.“ 

Eine Art Normalität 
Bei all den Schreckensbildern, die wir in den Nachrichten sehen: Die Kolleginnen und Kollegen des Palästinensischen Roten Halbmondes versuchen, trotz allem ganz alltägliche Hilfsleistungen zu erbringen: „Sie fahren zum Beispiel mit den Ambulanzfahrzeugen als Ersthelfer von Einsatz zu Einsatz – egal, ob das jetzt einen Herzinfarkt oder einen anderen medizinischen Notfall betrifft.“ 

Allerdings mit wichtigen Einschränkungen: „Leider gibt es sehr viele Situationen, zu denen es selbst für den Roten Halbmond oder das Rote Kreuz keinen Zugang gibt.“ Das kann aktiven Kampfhandlungen ebenso geschuldet sein wie der simplen Tatsache, dass Straßen zerbombt oder durch eingestürzte Häuser unpassierbar geworden sind: Dazu kommt ein weiteres Problem, das sich täglich verschlimmert: „Viele medizinische Einrichtungen sind so stark zerstört, dass sie keine Patientinnen und Patienten mehr versorgen können. Unsere Kolleginnen und Kollegen müssen jeden Tag aufs Neue schauen, wohin sie ihre Patientinnen und Patienten zur medizinischen Versorgung noch bringen können.“ 

Gefahr von Kollateralschäden 
Nicht unbedingt einfacher, aber zumindest eine Spur sicherer ist die längerfristige humanitäre Hilfe, die das IKRK in der Konfliktregion leistet: „Diese Kolleginnen und Kollegen sind ebenfalls in speziell gekennzeichneten Fahrzeugen unterwegs. Und sie stimmen zusätzlich jeden ihrer Schritte zuvor mit allen Parteien ab, damit sie nicht unter Beschuss geraten. Doch auch sie müssen mit der permanenten Gefahr von Querschlägern oder Kollateralschäden leben.“ 

Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz sind daran gewöhnt, mit gewissen Restrisiken umzugehen, sagt der Krisenmanager aus eigener Erfahrung in zahlreichen Katastrophengebieten: „Wenn du zum Beispiel als Ersthelfer nach einem Erdbeben in Häuserschluchten unterwegs bist, kann ein Nachbeben jederzeit weitere Gebäude zum Einsturz bringen. Im Gazastreifen sind die Gefahren aber mannigfaltiger und die Vorsicht deshalb umso größer.“  

Mann sitzt zwischen Trümmern der zerstörten Stadt Khuza
Zerstörung in Khuza, östlich der Stadt Khan Yunis. © Abed Zagout / ICRC

Grundbedürfnisse sind unerfüllbar 
Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Palästinensischen Roten Halbmondes leiden – wie der Rest der Bevölkerung – unter extrem prekären Bedingungen. Mehr als 80 Prozent der Bevölkerung im Gaza sind in den vergangenen Wochen gezwungen worden, ihre großteils zerstörten Häuser zu verlassen. Und das aktuell bei klimatische Bedingungen, die das Leben zusätzlich erschweren, wie Georg Ecker von früheren Einsätzen im Nahen Osten weiß: „In dieser Gegend schneit es zwar nicht, aber gerade im Winter regnet es sehr viel. Dazu kommen die tiefen Temperaturen und der Wind direkt am Meer. Die Menschen müssen nicht nur irgendwie Schutz vor Bomben und Granaten finden, sondern auch vor den Unbilden der Natur.“  

Doch das ist nur einer der vielen Punkte auf einer Liste von Herausforderungen, vor denen die Menschen im Gazastreifen tagtäglich stehen, sagt Georg Ecker: „Es fehlt an Allem, und das beginnt damit, dass Grundbedürfnisse wie die Versorgung mit Medikamenten, Lebensmitteln und Trinkwasser nicht funktioniert. Die lokale Wirtschaft kann die Bevölkerung nicht mehr versorgen, und wir haben aktuell keine Chancen, die notwendigen Produkte von außen in die Region hineinzubringen.“  

Es gibt kein Süßwasser im Gaza 
Fehlendes Trinkwasser ist ein Problem, das bereits seit längerer Zeit besteht, weiß Georg Ecker, der sich als WASH-Experte besonders intensiv mit den Themen Wasser, Abwasser, Sanitärversorgung und Hygiene beschäftigt: „Es gibt einfach kein Süßwasser im Gaza.“ Teilweise kam Wasser über eine Pipeline aus einer Entsalzungsanlage in Israel, doch diese Quelle ist mittlerweile versiegt: „Wir können aber nicht einmal sagen, ob das daran liegt, dass es so viele illegale Abnehmer am Weg gab oder ob die Schäden an der Pipeline so groß sind, dass kein Wasser mehr durchkommt.“ 

Und das, sagt Georg Ecker, führt natürlich zu weiterführenden Problemen: „Das IKRK unterstützt ein Krankenhaus in Chan Yunis im Süden des Gazastreifens – nicht zuletzt mit einer Gruppe von erfahrenen Chirurgen, die immense Arbeit leisten. In diesem Spital ist aber vor Weihnachten der letzte Tropfen aus der Wasserleitung gekommen. Jetzt sind sie abhängig von dem Wasser, das sie selbst vor Ort mit kleinen Entsalzungsanlagen aus dem Boden zerren.“ 

Alles ist möglich 
Wie sich die Situation im Gaza in Zukunft weiterentwickelt, ist unmöglich vorherzusehen, sagt Georg Ecker. „Wir können nicht einmal realistisch sagen, was morgen sein wird. Es gibt stündlich neue Wendungen, die Lage kann sich jederzeit wieder in eine andere Richtung drehen.“ Das IKRK beobachtet und analysiert die Situation natürlich laufend und ganz genau: „Wir stehen mit unseren Kräften einsatzbereit. Sobald es uns möglich ist, internationale Teams in größeren Mengen in den Gaza zu bringen und noch umfangreicher zu helfen als jetzt, werden wir diese Chance ergreifen.“ 

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