Gewalt gegen ältere Frauen: erkennen und handeln
„Das Recht auf Leben, Freiheit sowie körperliche, seelische und geistige Unversehrtheit sind die grundlegendsten Rechte, die jeder Person aufgrund ihrer Würde zustehen.“
Präambel der UN-Menschenrechtskonvention
Gewalt an Frauen und Mädchen gehört zu den häufigsten Menschrechtsverletzungen und ist ein gesamtgesellschaftliches Problem. Schätzungen zu Folge erlebt jede dritte Frau in ihrem Leben Gewalt. Traditionelle Rollenbilder, wirtschaftliche Abhängigkeitsverhältnisse und gesellschaftliche Ungleichheit sind dabei fördernden Faktoren.
Gewalt gegen Frauen kennt dabei aber keine Altersgrenzen und gerade ältere Frauen sind eine besonders vulnerable Gruppe. Bei von Gewalt betroffenen älteren Frauen wirken oft genderbasierte Gewalterfahrungen mit zusätzlichen, altersbedingten Diskriminierungen zusammen.
Es gibt allerdings nur wenig direkte Daten und die Zahlen schwanken zwischen 0,8% und 29,3% der Betroffenen. Gewalt gegen ältere Frauen kommt sowohl im öffentlichen Raum als auch in Institutionen und innerhalb der Familie vor, es wird aber von einer hohen Dunkelziffer ausgegangen. Gewalt passiert vor allem unbemerkt oder wird oft nicht als solche wahrgenommen. Persönliche und soziale Barrieren verhindern außerdem, dass Gewalt gegen ältere Frauen „gemeldet“ wird.
Die wichtigsten Fragen und Antworten zum Thema
Hinweise auf mögliche körperliche Gewalt
Es sind blaue Flecken, Kratzer, Hautabschürfungen oder Verbrennungen zu erkennen, oder die Frau weigert sich Kleidungsstücke abzulegen und verhält sich ängstlich, wenn sich jemand nähern möchte.
Hinweise auf mögliche emotionale/seelische Gewalt
Die Frau wirkt emotional auffallend aufgewühlt oder in sich zurückgezogen, leidet unter Schlaflosigkeit, ist ungewöhnlich schreckhaft/verstört oder unsicher, ist „grundlos“ deprimiert. Es wird in herabwürdigender Weise mit ihr umgegangen.
Hinweise auf mögliche finanzielle Ausbeutung
Es gibt plötzlich Probleme Rechnungen zu bezahlen oder Unternehmungen zu tätigen, die Geld kosten. Es besteht Nahrungsmittelknappheit im Haus, wertvolle Gegenstände fehlen.
Hinweise auf mögliche Einschränkung des freien Willens
Verabredungen mit Freund_innen werden nicht mehr wahrgenommen, Vorhaben und Vereinbarungen abgesagt, geliebte Aktivitäten reduziert. Angehörige schirmen die Betreffende sehr bestimmt gegenüber Besucher_innen ab, Telefonate und Nachrichten werden nicht weitergeleitet.
Hinweise auf möglichen sexuellen Missbrauch
Besondere Schreckhaftigkeit, Zurückziehen bei Annäherung, schamhaftes Verhalten bei Berührungen, Nähe wird vermieden, Angehörige zeigen sich Besucher_innen gegenüber misstrauisch.
Hinweise auf mögliche Vernachlässigung
Unzureichende persönliche Hygiene, verschlissene oder beschmutzte Kleidung, keine Frisur, unsaubere Wohnung, fehlende Hilfsmittel, Gewichtsabnahme, schlechter Hautzustand und ausweichende Antworten auf diesbezügliche Nachfragen
- Seelische oder emotionale Gewalt: z.B. verspotten, auslachen, drohen, Kontakte verwehren, vor anderen demütigen, als Objekt behandeln, ignorieren, …
- Materielle/finanzielle Gewalt: z.B. Einkommen unterschlagen, Bargeld wegnehmen, Besitz ungefragt veräußern, Vorräte plündern, aber auch gewünschte oder notwendige Anschaffungen aus dem Budget der Betreffenden verweigern (aus „Sparsamkeit“)
- Einschränkung des freien Willens: z.B. gewünschte Unternehmungen/ Beschäftigungen verbieten, zu ungewünschten Aktivitäten nötigen, Besuche vorschreiben oder unterbinden, Kleidung oder Aufenthaltsort vorschreiben, Genussmittel entziehen, jemanden einsperren
- Körperliche Gewalt: z.B. zerren, schlagen, stoßen, verbrühen, …
- Sexueller Missbrauch: z.B. zu sexuellen Handlungen nötigen oder dafür benutzen, unangemessene Bilder oder Schilderungen aufzwingen, …
- Vernachlässigung: z.B. Nahrung, Hilfsmittel oder Medikamente vorenthalten, nicht für die Körperpflege oder Reinigung von Kleidung und Umgebung von hilfebedürftigen Menschen sorgen
Oft schweigen ältere Frauen aus Scham oder aufgrund von Abhängigkeitsverhältnissen:
Oft bestehen Gewaltbeziehungen schon über eine sehr lange Zeit. Der Glaube an Veränderung und das Denken in Alternativen sind verloren gegangen.
Viele ältere Frauen haben kein oder nur ein geringes eigenes Einkommen, es fehlen Ressourcen für ein angemessenes Auskommen bzw. Unterkommen. Oft gibt es wenig Verständnis und Unterstützung seitens der erwachsenen Kinder.
Bei Gewalt durch erwachsene Kinder oder Enkel besteht eine besonders große Hemmschwelle, dies vor sich selbst und anderen zuzugeben.
- Achten Sie auf Ihr Bauchgefühl! Wenn Sie meinen, „da stimmt was nicht“, dann schauen und hören Sie genauer hin.
- Geben Sie der betreffenden Person zu erkennen, dass Sie bereit sind zuzuhören.
- Wenn keine unmittelbare Gefahr für Leib und Leben besteht, lassen Sie sich und der betreffenden Person Zeit und haben Sie Geduld.
- Vertrauliche Gespräche brauchen Ruhe und einen geschützten Raum – keinesfalls sollten Sie das Thema eigenmächtig in Gegenwart Dritter oder gar des potenziellen Gewalttäters/der Gewalttäterin ansprechen.
- Nehmen Sie eine klare Haltung gegen Gewalt ein, aber bleiben Sie sachlich.
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Mehr Informationen
Für mehr Informationen zum Thema empfehlen wir Ihnen die Broschüre "Häusliche Gewalt gegen ältere Frauen"
#schauhin
Unter dem Hashtag #schauhin sensibilisiert das Rote Kreuz rund um den internationalen Tag gegen Gewalt an älteren Frauen am 15. Juni für das Thema!
Wo gibt es Hilfe?
Polizeinotruf: 133
sofortige Gefahrenabwehr
Beratungstelefon Gewalt und Alter: 0699 11 2000 99
vertrauliche und kostenlose telefonische Beratung von Pro Senectute Österreich, online unter www.prosenectute.at
Die Pro Senectute Hotline ist die erste Ansprechstelle, wenn Sie
- selbst Gewalt erfahren
- Gewalthandlungen gegen ältere Menschen beobachten
- befürchten, bei der Betreuung und Pflege von älteren Menschen selbst Gewalt anzuwenden – zu Hause oder in Pflegeeinrichtungen
- allgemeine Fragen zum Thema haben
- Informationen zu weiteren Unterstützungseinrichtungen wünschen
Frauenhelpline: 0800 222 555
Online unter www.frauenhelpline.at.
Die Frauenhelpline gegen Gewalt bietet rund um die Uhr Informationen, Hilfestellungen, Entlastung und Stärkung – auch in Akutsituationen.
Telefonseelsorge: 142 (Notruf), täglich 0–24 Uhr
Online unter www.telefonseelsorge.at
Telefon-, E-Mail- und Chat-Beratung für Menschen in schwierigen Lebenssituationen oder Krisenzeiten.
Ö3-Kummernummer: 116 123
Telefonberatung durch das Rote Kreuz
Täglich zwischen 16 und 24 Uhr hören Ihnen geschulte Rotkreuz-Mitarbeiter_innen zu, zeigen Lösungswege auf oder stellen den Kontakt zu weiterführender Betreuung her.
Österreichische Gewaltschutzzentren: 0800 700 217
Hilfe und Unterstützung für Opfer von Gewalt
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