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Corona hinterlässt Spuren - vor allem an der Psyche

Kinder und Jugendliche leiden unter dem Kontaktentzug zu Gleichaltrigen, die Eltern zerreiben sich zwischen Beruf und Kinderbetreuung. Viele gehen jeden Tag mit der Angst an Corona zu erkranken in die Arbeit - oftmals kombiniert mit Geldsorgen und Existenzängsten. Ältere Menschen können sich zwar leichter isolieren, leiden aber umso mehr unter der Einsamkeit. Dazu kommen Medienberichte, die verunsichern, teilweise widersprüchliche Nachrichten zu Corona selbst und auch zu den verschiedenen Impfstoffen. Gar nicht zu reden von möglichen Langzeitfolgen von Corona und der Angst, dass nahestehende Menschen aus den Risikogruppen krank werden könnten. Kein Wunder, dass die Psyche im zweiten Pandemiejahr langsam, aber sicher, an ihre Grenzen der Belastbarkeit kommt.

Rotkreuz-Chefpsychologin Univ. Prof. Dr. Barbara Juen

Dr. Barbara Juen versteht Menschen in Krisensituationen.

Jede Krise heißt Verluste zu erleiden. Die Menschen fragen sich: Wird es jemals so sein wie früher? Die Antwort darauf ist ganz klar: Nein! Jede Krise hinterlässt Scherben. Aus diesen Scherben können wir aber etwas Neues bauen und uns damit neue Chancen eröffnen. Das heißt aber auch, dass man Verluste anerkennen muss.

Rotkreuz-Tipps für die Ausnahmezeit

Einsamkeit, keine Privatsphäre, eine herausfordernde Familiensituation, Angst um die Gesundheit oder finanzielle Sorgen: aktuell haben viele Menschen aus unterschiedlichsten Gründen mit psychischem Stress zu kämpfen. Stress, Ärger oder Trauer zu fühlen ist jedoch keine Schwäche, sondern die Gefühle treiben uns oft an, weiterzumachen. Es gibt aber Techniken, die den Umgang mit all diesen unangenehmen Gefühlen erleichtern.

Negative Emotionen: Was tun?

Was wirkt gegen Stress?

  • Machen Sie Pausen!
  • Essen Sie genug und gesund!
  • Körperliche Bewegung tut gut!
  • Bleiben Sie in Kontakt mit Familie und Freunden!
  • Vermeiden Sie negative Strategien wie exzessives Rauchen, Alkohol und andere Drogen!
  • Wenden Sie sich an Vertrauenspersonen, wenn Sie Unterstützung brauchen!
  • Tun Sie, was Ihnen auch sonst dabei hilft, abzuschalten!

Was hilft gegen Angst?

  • Gezielte Informationssuche in seriösen Medien und das zeitlich begrenzt, um am Laufenden zu bleiben!
  • Soziale Kontakte pflegen und mit ihnen auch Belangloses bzw. Angenehmes besprechen!
  • Bewegung, Ablenkung und kreativer Ausdruck!
  • Klare Struktur im Alltag!
  • Wenn der Stress zu groß wird, wenden Sie sich bitte an Anlaufstellen!

Körper und Psyche reagieren auf die aktuelle Lage mit Anspannung, die sie mit ein paar einfachen Übungen in den Griff bekommen können:

  1. Spannen Sie Ihre Muskeln an, halten Sie diese Anspannung für einige Sekunden und lassen Sie wieder los

  2. Lassen Sie sich dabei von Ihrer Intuition leiten.

  3. Vergessen Sie nicht auf die Atmung.

  4. Beim Anspannen einatmen, für die Dauer der Anspannung gleichmäßig ein- und ausatmen, beim Entspannen ausatmen.

Körperkontakt lautet das Zauberwort! Wenn Sie also andere Menschen (oder vielleicht auch kuschelfreudige Haustiere) im Haushalt haben, "nutzen" sie diese! Berührungen führen dazu, dass Impulse über die Hautnerven weitergeleitet werden und das Gehirn Oxytocin ausschüttet. Oxytocin reduziert die Auswirkungen von Stress, Unruhe und Nervosität. Kuscheln ist in diesen Tagen nicht nur schön sondern wirkt auch gegen Nervosität. Wenn Sie alleine leben, wirken auch Öle und Cremen entspannend. Einfach in kleinen, gleichmäßigen Kreisbewegungen einmassieren.

Sie haben das Gefühl, sich von jeder Kleinigkeit ablenken zu lassen? Versuchen Sie folgende Tipps:

  • Machen Sie bewusst Pausen und nehmen Sie sich Auszeiten!
  • Achten Sie auf ausreichend Flüssigkeit und Ihre Ernährung!
  • Sport hilft dabei, die Konzentrationsfähigkeit zu verbessern.
  • Lüften Sie die Wohnung gut durch und setzen Sie sich nach draußen, wenn Sie die Möglichkeit dazu haben!
  • Unkonzentriertheit ist oftmals ein Zeichen dafür, dass sie geistig unterfordert sind. Falls Sie das Gefühl haben, dass das auf Sie zutrifft: Suchen Sie gezielt nach einer geistigen Herausforderung! (z.B. ein Buch in einer Fremdsprache lesen, ein anspruchsvolles Rezept nachkochen, etc.)

Ihr Körper und vielleicht auch ihr Geist zeigen Ihnen, dass er eine Pause braucht. Nehmen Sie das ernst und erlauben Sie sich eine Pause. Ein Nickerchen von zehn bis maximal 20 Minuten lädt die Batterie wieder auf, Sie fühlen sich danach kräftiger und klarer. Auch Entspannungsmethoden, Meditationen und Sport können Erschöpfungssymptome mildern.

Momentan heißt es im Wesentlichen Regeln zu befolgen und damit die Gesundheit von uns und anderen zu schützen. Das führt bei vielen zu einem Gefühl der Hilflosigkeit, da die individuelle Entscheidungsmacht beschnitten wird. Zudem fühlen sich viele hilflos, da es derzeit noch keine Impfung oder ein Medikament gibt, das zu einer Gesundung führen könnte.

  • Führen Sie sich immer wieder vor Augen: Indem Sie daheim bleiben, tragen Sie aktiv etwas zu einem großen, Ganzen bei!
  • Tauschen Sie sich mit vertrauten Personen über Ihre Gefühle aus - geteiltes Leid ist halbes Leid.
  • Nehmen Sie an Flashmobs teil wie z.B. Singen und Musizieren am Balkon, getrennt und doch gemeinsam!
  • Lenken Sie Ihre Aufmerksamkeit auf die positiven Meldungen des Tages!
  • Nehmen Sie Kontakt zu Freunden und Familienmitgliedern auf! Auch hier gilt: tauschen Sie positive Inhalte aus und planen Sie, was Sie und Ihre Freunde nach der Krise alles gemeinsam unternehmen möchten.
  • Eine kleine Übung für mehr innere Stärke: Stehen Sie auf, stellen Sie Ihre Beine hüftbreit und stemmen Sie Ihre Hände kräftig in die Hüfte. Nehmen Sie dabei den Kontakt Ihrer Füße mit dem Boden wahr. So stehen Helden, die Kraft und Mut ausstrahlen.
  1. Machen Sie sich Ihre Körperhaltung bewusst: achten Sie auf Ihre Körperspannung, nehmen Sie eine gerade Körperhaltung ein, Schultern nach hinten, Kopf hoch, Brust hinaus.
  2. Nehmen Sie nun bewusst war, was mit Ihnen passiert. Ihr Gehirn bekommt Signale ausgesandt, wodurch Freude- bzw. Glückshormone ausgeschüttet werden, die zur Reduktion von Stresshormonen führen.
  3. Vergegenwärtigen Sie sich das über den Tag verteilt mehrmals und wiederholen Sie diese Übung immer wieder zwischendurch.
  4. Nehmen Sie Kontakt mit Freunden und Familienmitgliedern auf. Sozialer Austausch beruhigt.

Arbeiten im Homeoffice, Konflikte mit dem Partner, Kinder versorgen: gerade mehrfachbelastete Menschen haben aktuell das verstärkte Gefühl, durch den Tag (und oft auch durch die Nacht) gehetzt zu werden. Hier ein paar Tipps um dem gegenzuwirken:

  • Sorgen Sie dafür, dass Sie zu Auszeiten kommen. Schon 30 Minuten genügen, um die Batterie wieder aufzuladen. Wichtig: Nützen Sie die Zeit wirklich für sich selbst!
  • Unter Stress halten wir häufig unbewusst den Atem an oder atmen oberflächlich, sprich nur in den Brustbereich. Für das Gehirn heißt das, Alarmbereitschaft und Stress! Deshalb: Jede Stunde 3-5 Mal bewusst tief ein- und ausatmen.

Auch wenn es banal klingt, lachen oder zumindest lächeln hilft! Beim Lächeln werden Ihre Mundwinkel nach oben gezogen. Das Gehirn versteht diesen Muskelmechanismus als ein Signal, um gute Stimmung zu aktivieren. Durch das Lächeln wird in Ihrem Gehirn die Produktion von Botenstoffen angeregt, die zur Stabilisation von Gefühlen beitragen.

  • Nehmen sie das Gefühl an!
  • Lächeln sie bewusst!

Die aktuelle Situation ärgert Sie? Zurecht! Ärger ist ok, braucht aber einen Rahmen.

  • Brüllen Sie ruhig einmal mit weit aufgerissenen Mund!
  • Stellen Sie sich breitbeinig hin, gehen etwas in die Knie, Hände zu Fäusten ballen und losboxen! (abwechselnd rechts, links, rechts, links).
  • Atmen Sie dabei laut aus!
  • Teilen Sie Ihren Ärger mit ihren Familienmitgliedern oder Freunden!
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