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Plädoyer für einen Paradigmenwechsel

Rotkreuz-Präsident Univ. Prof. DDr. Gerald Schöpfer plädiert dafür, mehr Eigenverantwortung zu ermöglichen, um das Coronavirus in den Griff zu bekommen.

Univ.-Prof. DDr. Gerald Schöpfer, Präsident des Österreichischen Roten Kreuzes. Portrait in Uniform.
Rotkreuz-Präsident Gerald Schöpfer plädiert für einen Paradigmenwechsel

Die Zeit nach dem zweiten Lockdown wird dynamisch, herausfordernd und sollte von Optimismus gekennzeichnet sein. Das Rote Kreuz wendet sich mit einem Plädoyer für einen Paradigmenwechsel an die politischen Entscheidungsträger – einen Paradigmenwechsel hin zur Ermöglichung von mehr Eigenverantwortung.

Wir sind in der glücklichen Lage in einer aufgeklärten Demokratie zu leben, in einer Gesellschaft, in der jeder Verantwortung für sich und andere übernimmt. Diese Eigenverantwortung funktioniert in den meisten Lebensbereichen sehr gut. Wir glauben, dass wir uns als Gesellschaft auch mehr Eigenverantwortung in der Pandemiebekämpfung zumuten müssen. Dafür brauchen wir allerdings die Hilfe der politischen Entscheidungsträger. Mein Appell: Geben Sie uns die Instrumente in die Hand, damit wir durch mehr Eigenverantwortung beitragen können, Corona in den Griff zu bekommen! Vier Beispielen, wie das funktionieren könnte.

1. Testungen

Jeder Mensch in Österreich soll die Möglichkeit bekommen, sich kostenlos einmal wöchentlich testen zu lassen. Dafür könnten beispielsweise Gutscheine ausgehändigt werden. Bei Verfügbarkeit von sicheren und einfach zu handhabenden Selbsttests, könnte ein solcher Test auch selbst durchgeführt werden. Ist das Ergebnis negativ, ist das ein Ansporn, sich an die Hygienemaßnahmen zu halten, damit das Ergebnis nach dem nächsten Test ebenfalls negativ ist. Ist es positiv, kann man sich isolieren, um andere zu schützen und rasch einen diagnostischen Test durch qualifiziertes Personal veranlassen.

2. Kontakte nachverfolgen

Digitalisierung und Eigenverantwortung – diese Kombination würde uns massive Zeitvorteile verschaffen. Kontakte, die nicht persönlich bekannt sind, werden über die Stopp Corona-App informiert – das funktioniert jetzt schon. Zusätzliche bräuchte es eine Web-Plattform, in die bekannte Kontakte nach einer Infektion rückwirkend eingetragen werden können. Im Idealfall haben die Behörden Zugang dazu und können Befunde und Bescheide über diese Plattform rasch zustellen. Die Hotline 1450 bleibt natürlich bestehen und steht allen Menschen zur Verfügung – insbesondere natürlich jenen, die derartige Web-Plattformen nicht nutzen können oder wollen.

3. Selbstschutz

Mittlerweile ist gesichert, dass FFP2-Masken gut vor Infektionen schützen. Daher sollten alle Menschen, zu einer Risikogruppe angehören, kostenlos FFP2-Masken erhalten. Gleichzeitig werden für gesellschaftlich so wichtige Bereiche wie Schulen praktikable Konzepte entwickelt und umgesetzt, um Schüler und Lehrer zu schützen und trotzdem Unterricht in Präsenz abhalten zu können.

4. Impfung

Die Menschen in Österreich sollten von der Sinnhaftigkeit einer Impfung überzeugt werden. Das ist aber nur möglich, wenn es eine offene, evidenzbasierte Kommunikation dazu gibt. Diese Kommunikation umfasst auch eine Beschäftigung mit Risiken und den Vor- und Nachteilen einer Impfung. Die Entscheidung für oder gegen eine Impfung, sollte jeder eigenverantwortlich auf Basis dieser Informationen treffen. Ist die Entscheidung für eine Impfung gefallen, sollten auch alle eigenverantwortlich zu einem reibungslosen Ablauf beitragen können. Zum Beispiel durch ein zentrales Anmelde- und Dokumentationssystem, das transparent alle Optionen zeigt und das den Behörden den notwendigen Überblick schafft

 

Ich bin davon überzeugt, dass wir – als Gesellschaft – die Pandemie am besten in den Griff bekommen, wenn jeder einzelne möglichst viel beitragen kann. Arbeiten wir gemeinsam daran, dort, wo es möglich ist Eigenverantwortung zu zeigen und dort wo das noch nicht der Fall ist, die Möglichkeit zu schaffen.

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