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Robert Mardini, IKRK Generaldirektor, zeichnet bei seinem Besuch in Österreich ein düsteres Bild in der internationalen Hilfe.©ÖRK/Gerald Czech

IKRK-Generaldirektor Mardini: "2023 ist das Jahr nie da gewesener humanitärer Not"

Robert Mardini, Generaldirektor des Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK), erzählte beim Besuch im ÖRK wie sehr die Inflation als Treiber für Armut in vielen Teilen der Erde beiträgt. "Im Südsudan sind die Lebensmittelpreise gegenüber dem vergangenen Jahr um 99 Prozent gestiegen", berichtet der Generaldirektor im Pressegespräch mit der APA. Unter anderem deshalb bezeichnet er 2023 als das "Jahr nie da gewesener humanitärer Not".

Hohe Inflation - weniger Hilfe

Neben dem Südsudan (88 Prozent Inflation) nennt er auch Äthiopien (54 Prozent Inflation) als einen jener Staaten, die massiv unter der Teuerung leiden. Das wirkt sich auch auf die lokale Hilfe in den Konflikregionen aus: "Humanitäre Akteure, seien sie lokal oder international, erhalten nun weniger Gelder, um wachsende Bedürfnisse zu stillen. Die Rechnung lautet also: Größer werdende humanitäre Not, meist getrieben von einem bewaffneten Konflikt, und ein schrumpfendes Budget erschwert unsere Möglichkeiten, Leid zu lindern", beklagt Mardini. Auch das IKRK zahle nun mehr für Lebensmittel, ebenso wie für Produkte zur medizinischen Versorgung.

800 Helfer:innen in der Ukraine

Die Teuerung mitverursacht hat der Krieg gegen die Ukraine. Den dortigen Einsatz bezeichnet Mardini als den "tragischerweise größten" des IKRK. Man sei mit über 800 Leuten im Einsatz und arbeite mit nationalen Rotkreuzorganisationen und -partnern zusammen. Seit der Zerstörung des Kachowka-Staudammes versuche man etwa, die Wasserversorgung wiederherzustellen, damit die Bevölkerung, vor allem jene in Cherson, das unterhalb des Staudamms an der Mündung des Dnipro liegt, Zugang zu sauberem Wasser hat. Außerdem entschärfe man Minen, die durch den Dammbruch weggeschwemmt wurden.

Mardini fordert Zugang zu Kriegsgefangenen

Dem IKRK steht nach der Dritten Genfer Konvention Zugang zu Kriegsgefangenen zu. Im Zuge des Ukraine-Krieges habe man bisher 1.500 Gefangene auf beiden Seiten besucht. "Das ist nicht genug", kritisiert Mardini, "wir drängen darauf, Zugang zu allen Kriegsgefangenen zu bekommen." Das Rote Kreuz äußert sich nicht politisch und konzentriert sich stattdessen auf die menschlichen Bedürfnisse der Gefangenen auf beiden Seiten - ob Zivilisten oder Soldaten.

Suchdienst

In Genf hat die Organisation ein Zentrum eingerichtet, bei dem sich Angehörige von Vermissten melden und nach Informationen fragen können. Knapp 80 Leute arbeiten laut Mardini dort. Sie würden täglich hunderte Anrufe bekommen und gegebenenfalls mitteilten, wo sich eine Person befindet. "Wir sind sehr transparent gegenüber Familienmitgliedern. Doch es gibt Familien, die keine Neuigkeiten bekommen, weil wir keinen Zutritt zu ihren geliebten Menschen erhalten. Das IKRK hat aber keine Möglichkeit, den Zugang zu einer Haftanstalt zu erzwingen."

Globale Bedrohung Klimawandel

Die größte globale Bedrohung abseits bewaffneter Konflikte sieht Mardini im Klimawandel. "Gleichzeitig sind 80 Prozent der humanitären Nöte weltweit durch Konflikte verursacht." Die bittere Ironie: "Wenn man die 25 am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder nimmt, tobt in 60 Prozent von ihnen bereits ein Konflikt." Die Verwundbarsten der Verwundbarsten seien sehr oft betroffen von Multikrisen betroffen.

Weltweit sind dem IKRK zufolge 360 Millionen Menschen von bewaffneten Konflikten betroffen. Von diesen gibt es über 100, und einige dauern seit Jahrzehnten an – ohne Ende in Sicht, so Mardini. Einen einzelnen von der Öffentlichkeit unbeachteten möchte der Generaldirektor nicht nennen. Stattdessen ruft er etliche in Erinnerung: im Jemen, in Mali, in Burkina Faso, im Niger, in Somalia und in Äthiopien. In Tigray herrsche seit zwei Jahren Nahrungsmittelunsicherheit und es gebe Kinder unter fünf Jahren, die an Mangelernährung litten. "Wir versuchen, mittels Ernährungsprogrammen die Lage zu stabilisieren", sagt der IKRK-Generaldirektor.

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