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Rotkreuz Helferinnen waten durch überflutete Felder in Kenia

Klimakrise: Prävention ist effektiver als Hilfe nach der Katastrophe

Das Rote Kreuz versteht die Klimakrise zuallererst als humanitäre Krise. Um bei der steigenden Anzahl an Katastrophen in Zukunft effizienter helfen zu können, setzen Expert:innen auf vorausschauende Unterstützung – nicht zuletzt dank der vielen Freiwilligen. 

Die Zahlen sind eindeutig: Im Beobachtungszeitraum 2010 bis 2019 wurden weltweit 2.850 Naturkatastrophen mit mehr als 410.000 Toten und 1,7 Milliarden betroffenen Menschen registriert. 83 Prozent dieser Katastrophen waren die direkte Folge extremer Wetterevents wie Überflutungen, Stürme oder Hitzewellen. In den 1990ern waren es noch 73 Prozent, in den Nullerjahren 76 Prozent. Das Rote Kreuz spricht deshalb von einer Klimakrise und nicht mehr von einem Klimawandel, erklärt Walter Hajek: „Einen ‚Wandel‘ könnte es auch zum Guten geben. Aber wir erleben eindeutig eine negative Entwicklung.“ 

​​​​​​​Im Einsatz für humanitäre Hilfe 

Menschen in Mosambik arbeiten mit dem Roten Kreuz
Das Rote Kreuz schult ein Komitee für Katastrophenmanagement, das für 12 Gemeinden der Provinz Inhambane in Mosambik verantwortlich ist. Die Teilnehmer:innen erhielten nach dem erfolgreichen Abschluss eine Uniform so wie wichtiges Equipment für den Katastrophenfall.
Walter Hajek, Rotes Kreuz
Walter Hajek, Bereichsleiter Internationale Zusammenarbeit beim Österreichischen Roten Kreuz

Walter Hajek ist seit zwanzig Jahren beim Österreichischen Roten Kreuz tätig, „weil ich immer schon im humanitären Bereich arbeiten wollte.“ Hilfseinsätze führten ihn in Krisengebiete wie Ost-Timor, Kambodscha, Tibet, Myanmar, Kenia, Äthiopien und Haiti. Seit 2016 leitet der Jurist den Bereich „Internationale Zusammenarbeit“: „Ich bin also für alle internationalen Programme des Österreichischen Roten Kreuzes verantwortlich.“ 

Die Klimakrise ist weltweit eine der größten Herausforderungen und steht deshalb auf der Agenda des Roten Kreuzes ganz weit oben, sagt Walter Hajek: „Weil wir sie in unserem Arbeitsumfeld zuallererst als humanitäre Krise wahrnehmen. Und weil wir davon ausgehen müssen, dass extreme Wetterphänomene in Zukunft noch häufiger und intensiver und damit mit größerer Zerstörungskraft auftreten werden. Was diese Prognose bedeutet, kann man ganz einfach zusammenfassen: Die Anzahl der Menschen, die unmittelbar von Naturkatastrophen betroffen sind, wird deutlich steigen.“ 

Prävention als neues Hilfsmodel 
Das Rote Kreuz hat deshalb einen wichtigen Strategiewechsel vollzogen: Neben der klassischen humanitären Hilfe, die erst nach einer Katastrophe einsetzt, liegt der Fokus mittlerweile verstärkt auf dem Gebiet der Prävention. Als Beispiel erzählt Walter Hajek von der Arbeit im ostafrikanischen Küstenstaat Mosambik, der immer wieder von verheerenden Hurrikanen getroffen wird: „Meteorologische Daten erlauben uns mittlerweile recht genaue Vorhersagen. Wenn gewisse Parameter erfüllt werden, können wir fünf Tage, bevor der Sturm aufs Land trifft, damit beginnen, Menschen in den potenziell betroffenen Gebieten zu informieren und vorzuwarnen.“ 

Dabei kommt dem Roten Kreuz seine Struktur mit zahlreichen Freiwilligen (weltweit sind es 15 Millionen) auf allen gesellschaftlichen Ebenen zugute: „Wenn wir die Leute via Radio oder Handy nicht erreichen können, fahren unsere Mitarbeiter tatsächlich mit dem Auto, dem Moped oder sogar mit dem Fahrrad in entlegene Dörfer – denn gerade dort leben oft besonders vulnerable Menschen.“ Bei Bedarf helfen die Freiwilligen vorab bei der Evakuierung und der Suche nach einer sicheren Unterkunft während des Hurrikans und den damit verbundenen Sturmfluten und extremen Regenfällen: „Es geht dabei aber nicht nur um die Menschen allein, sondern auch um ihre Viehherden und ihr Saatgut, die natürlich überlebenswichtig sind.“ 

Die Suche nach passenden Lösungen

Die Idee der antizipativen Hilfe – die wesentlich effizienter und günstiger ist als die Unterstützung nach einer Katastrophe – fließt großflächig in Programme zur Anpassung an geänderte klimatische Bedingungen ein: „Wir beraten Landwirte etwa bei der Suche nach Saatgut, das in immer längeren Trockenperioden Ertrag bringt.“ Ein wesentlicher Punkt dieser Arbeit betrifft den ungebrochenen Trend zur Urbanisierung: „Wir suchen – unter anderem in Zusammenarbeit mit Stadtplanern – regional nach passenden Lösungen.“  

Immer mehr Menschen leben in dicht verbauten Gebieten, weiß Walter Hajek: „Diese Hitzeinseln werden sich durch die generelle Erderwärmung in Zukunft noch stärker erhitzen. Wir müssen uns rechtzeitig darum kümmern, dass die Menschen Zugang zu Trinkwasser haben oder die Bausubstanz so verbessern, dass die Bewohner:innen nicht zu sehr den gesundheitsgefährdenden Temperaturen ausgesetzt sind.“ 

Ein positives Paradoxon als Dilemma 
Das Dilemma – beziehungsweise das „positive Paradoxon“, wie es Walter Hajek nennt – liegt darin, dass erfolgreiche Prävention genau jene Auswirkungen verhindert, die wiederum erst die notwendige Aufmerksamkeit auf die Gefahr gelenkt hätte: „Wir wissen, wie Medien und in weiterer Folge Entscheidungen auf politischer Ebene funktionieren: Es muss zuerst etwas passieren, damit etwas passiert. Wenn es uns gelingt, Menschen vor Katastrophen zu retten, gibt es keine schockierenden Bilder und damit nicht das dringliche Bedürfnis zur Unterstützung ...“ 

Die Klimakrise sorgt mit ihrer steigenden Zahl an Hitze- und Kälteperioden, Stürmen, Feuersbrünsten und Überschwemmungen für eine „permanente Grunderschütterung, die in vielen Gegenden zu einer immer geringeren Resilienz führt“, sagt Walter Hajek. Dazu kommt – wie zuletzt etwa mit der Covid-Pandemie – die reale Gefahr multipler Krisen, die humanitäre Organisationen an den Rand ihrer Kapazitäten führen. Und die dazu führen, dass manche Krisenherde schlicht nicht mehr die notwendige Aufmerksamkeit der Weltengemeinschaft bekommen, „weil zum Beispiel der bewaffnete Konflikt in der Ukraine und das Erdbeben in der Türkei und in Syrien alles andere überdecken.“

Die Hoffnung lebt 

Eine dieser „vergessenen Krisen“ gibt es zurzeit im Sudan: „Die Zivilbevölkerung leidet extrem unter den Kampfhandlungen, die Wirtschaft ist in großen Teilen zusammengebrochen, genauso wie das Gesundheitssystem. Zusätzlich zerstören zunehmende Wetterextreme wie Überflutungen und Dürren die Lebensgrundlage der Menschen. Etwa die Hälfte der Bevölkerung ist mittlerweile auf humanitäre Hilfe angewiesen.“

Trotz düsterer Zukunftsprognosen behält sich Walter Hajek weiterhin seinen grundsätzlichen Optimismus: „Das schwere Erdbeben in der Türkei und in Syrien 2023 hat wieder sehr viel Hilfsbereitschaft ausgelöst. Wir haben gesehen, dass uns als Gesellschaft die Not anderer Menschen und die Notwendigkeit zu humanitärer Hilfe nicht egal sind. Dass so viele Leute unsere Arbeit unterstützen, macht mich hoffnungsfroh.“ 

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Internationale Katastrophenhilfe

Das Rote Kreuz ist in Österreich und weltweit im Einsatz. Bei internationalen Katastrophen ergänzt das Österreichische Rote Kreuz die Kapazitäten der lokalen Rotkreuz-Gesellschaft mit dem, was national oder regional nicht verfügbar ist. Das reicht von finanzieller Unterstützung bis hin zur Entsendung von Spezialist:innen.

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