Die Schlacht von Solferino, einem kleinen Ort südlich des malerischen Gardasees, beendete 1859 den Sardinischen Krieg zwischen dem Kaisertum Österreich und dem Königreich Sardinien und ebnete den Weg zum unabhängigen Nationalstaat Italien; das grausame Gemetzel auf dem Schlachtfeld forderte binnen 15 Stunden rund 6.000 Tote und 40.000 Verwundete. Der Schweizer Geschäftsmann Henry Dunant wurde „als einfacher Reisender, dem humanitäre Fragen ein großes Anliegen sind“ zum Augenzeugen und beschrieb die unvorstellbaren Gräuel in seinen „Erinnerungen an Solferino“.
Und er gab mit seinem Buch 1863 den Anstoß für die Genfer Konventionen und damit das humanitäre Völkerrecht –und in weiterer Folge zur Gründung des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK). „Für die Internationale Rotkreuz- und Rothalbmond-Bewegung“, sagt Martina Schloffer, „ist das humanitäre Völkerrecht also nicht weniger als die Basis ihrer Existenz: Wir sind aus der Idee heraus entstanden, Verwundeten in Kriegen und bewaffneten Konflikten Erste Hilfe zu leisten. Und auch wenn wir das zum Glück in Österreich heute anders wahrnehmen können: In vielen Ländern der Erde ist das immer noch unsere tagtägliche Aufgabe.“
Organisiert im Einsatz
Martina Schloffer ist stellvertretende Leiterin des Bereichs Einsatz und internationale Zusammenarbeit im Österreichischen Roten Kreuz. Sie war selbst immer wieder in Krisen- und Katastrophenregionen aktiv: „Begonnen hat mein internationales Engagement während der Kosovo-Krise 1999. Später habe ich unter anderem in Äthiopien, Sri Lanka, Jordanien und im Libanon gearbeitet. 2003 war ich im Irakkrieg in Bagdad im Einsatz. Das war eine sehr harte Zeit, in der ich viele Dinge gesehen habe, über die ich nicht gerne spreche. Aber gerade deshalb kann ich mich intensiv in die Kolleginnen und Kollegen hineinversetzen, die aktuell in Israel und im Gaza versuchen zu helfen.“
Die gebürtige Burgenländerin hat Organisationsmanagement an der Wiener Wirtschaftsuniversität studiert und ist zudem ausgebildete Bilanzbuchhalterin – eine berufliche Basis, die auf den ersten Blick nicht auf eine Karriere in heiß umkämpften Gebieten hindeutet: „Tatsächlich habe ich allergrößten Respekt für Sanitäterinnen und Sanitäter und überhaupt medizinisches Personal, das direkt am Menschen arbeitet. Am Blut. Ich könnte das nicht! Aber ich habe erkannt, dass meine organisatorischen Fähigkeiten nicht nur im Büro, sondern auch vor Ort sehr wichtig sind, damit andere Menschen an vorderster Linie ihre Arbeit sicher erledigen können.“
Dialog mit allen Konfliktparteien
Das angesprochene humanitäre Völkerrecht (HVR) wurde im Rahmen der ersten Genfer Konvention 1864 erstmals dokumentiert und danach immer wieder erweitert und mit Zusatzprotokollen versehen. Es definiert Regeln für Kriege und andere bewaffnete internationale Konflikte. Dazu gehören der Schutz von Zivilisten und zivilen Einrichtungen wie Krankenhäusern, Wohngebäude, Schulen oder Kindergärten ebenso wie das Verbot von Folter, Geiselnahmen, Verstümmelungen und allgemein einer „erniedrigenden und entwürdigen Behandlung“ von Gefangenen.
Das humanitäre Völkerrecht gilt juristisch allerdings als „freiwillige Selbstverpflichtung“, für deren Verletzung es keine festgelegten Sanktionen gibt. Und das bedeutet, dass auch die Arbeit des Roten Kreuzes und des Roten Halbmondes immer einen möglichst guten Kontakt zu allen Konfliktparteien voraussetzt, um eine freiwillige Einhaltung dieser Rechte zu ermöglichen: „Wir brauchen Empathie und diplomatisches Geschick gleichermaßen. Es muss uns durch einen vertrauensvollen Dialog gelingen, alle Parteien von der Notwendigkeit unserer Anwesenheit zu überzeugen. Wir sehen zuletzt aber verstärkt, dass sich nicht immer alle Parteien an das humanitäre Völkerrecht halten.“